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Drei autofreie Sonntage im Jahr

Ein Zeichen für eine andere Art zu leben



Jens Jürgen Korff, stellvertretender Vorsitzender der BUND-Bezirksgruppe Detmold, plädiert für drei autofreie Sonntage im Jahr. Ein Interview über das Für und Wider

Frage: Herr Korff, Sie plädieren für drei autofreie Sonntage im Jahr. Wie meinen Sie das? Sollen an diesen drei Tagen sämtliche Autos in Deutschland stehen bleiben? Zwangsweise?

Korff: Im Prinzip ja, aber mit Einschränkungen. Einige Autobahnen müsste man wohl für den Transitverkehr geöffnet lassen. Außerdem müssen alle Busse fahren können und natürlich Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und andere Notfallkräfte; vielleicht auch Sammeltaxen.

Frage: Was wollen Sie damit erreichen?

Korff: Mehr Genuss! Mehr Lebensfreude! Und zwar eine Form von Genuss, die uns fast völlig abhanden gekommen ist. An einem autofreien Sonntag können wir ganz viele wunderschöne Landschaften, Flusstäler, Seeufer, Mittelgebirge mit ihren Passstraßen, aber auch prächtige Boulevards in den Städten ohne Autolärm und ohne Abgase genießen. Das wäre eine Form des Flanierens, die man kaum noch kennt. An einem solchen Tag wäre wirklich der Weg das Ziel. Wir kämen aus dem Zwang heraus, immer erst einmal irgendwohin fahren zu müssen, um dann dort hoffentlich das Leben genießen zu können.

Frage: Was hat das mit Umwelt- und Klimaschutz zu tun?

Korff: Viel. Die Abwesenheit von Verkehrslärm wäre die Abwesenheit eines der übelsten Faktoren, die unsere Lebensumwelt und unsere Gesundheit jeden Tag beeinträchtigen. Mit Klimaschutz hat es schon allein deshalb zu tun, weil an einem solchen Tag Millionen von Autofahrten unterbleiben, die sonst stattfinden würden. Doch der Effekt geht über den einzelnen Tag hinaus: Die Menschen würden lernen, was man alles ohne Auto machen kann. Dass man sogar eine Hochzeitsparty auf dem Lande feiern kann ohne ein einziges Auto. Das ist alles eine Frage der Organisation, und diese Fertigkeiten kann man dann auch an anderen Tagen einsetzen. Das gibt uns auch an anderen Tagen endlich die Freiheit, in dieser und jener Situation aufs Auto zu verzichten. Die gefühlte Abhängigkeit vom Auto würde also unweigerlich zurückgehen.

Frage: Darf man die Menschen denn dazu zwingen, an einem bestimmten Tag ihr Auto stehen zu lassen?

Korff: Über diese Frage kann man natürlich endlos streiten. Ich will hier nur auf zwei Dinge hinweisen, die anzeigen, dass ein solcher Zwang nicht so unerträglich sein kann, wie die Gegner dieser Idee meist annehmen. An 52 Sonntagen im Jahr ist zum Glück der größte Teil des Güterverkehrs auf der Straße verboten. Wenn man das Sonntagsfahrverbot für Lkw neu einführen würde, würden die Unternehmerverbände ohne Zweifel den Untergang des Abendlandes ausrufen: Es würde heißen, spätestens nach einem Jahr versinkt die gesamte deutsche Wirtschaft im Chaos, der deutsche Export ins Ausland bricht vollständig zusammen, und wir haben mit einem Schlag mindestens 10 Millionen Arbeitslose. Nun, die Praxis zeigt, dass von alledem keine Rede sein kann. Die deutsche Wirtschaft hat keine nennenswerten Probleme damit, alle sieben Tage auf Lkw-Transporte verzichten zu müssen. Man kann eine Logistik einfach auf solche Umstände einstellen. Auch dass das Sonntagsfahrverbot ein außerökonomischer Zwang ist, scheint kein großes Problem zu sein. Von daher liegt die Vermutung nahe, dass das bei drei autofreien Sonntagen im Jahr auch nicht anders sein würde.

Frage: Und der andere Punkt?

Korff: Das ist der Zwang, der vom Autoverkehr ausgeht. Es ist eben nicht so, als würden die Autofahrer einfach nur ihre Persönlichkeit frei entfalten, und als würden andere ihnen ihre Freiheit missgönnen und wegnehmen wollen. Wer Auto fährt, macht Lärm und zwingt ganz viele andere Menschen dazu, sich diesen Lärm anzuhören und darunter zu leiden. Menschen, die wenigstens ab und zu ohne Verkehrslärm leben möchten, werden von den Autofahrern daran gehindert. Es gibt also eine Freiheit, eine freie Entfaltung der Persönlichkeit, die durch den ununterbrochenen Autoverkehr unterdrückt wird. Es stehen zwei konkurrierende Freiheitsbedürfnisse gegeneinander; und in einer solchen Situation hat der Gesetzgeber, der demokratische Souverän, das Recht, eine Art Mittelweg zu definieren, bei dem beide Seiten von ihrem Freiheitsbedürfnis Abstriche machen müssen. Auch die Autofahrer.

Frage: Warum setzen Sie nicht auf eine freiwillige Lösung?

Korff: Weil sie nicht funktioniert. Die Freiheit, das Höllental im Schwarzwald oder das Hönnetal im Sauerland ohne Autolärm genießen zu können, stellt sich nur dann ein, wenn keine Autos fahren. Wenn nur ein paar Autos weniger fahren, stellt sich diese Freiheit nicht ein.

Frage: Kann man das nicht weiterhin so lösen, dass einzelne besonders schöneStrecken für den Autoverkehr gesperrt werden und die anderen Straßen frei bleiben?

Korff: Das ist zwar besser als gar nichts, aber es ist sehr umständlich und genügt nicht. Die Absperrung solcher Strecken ist sehr aufwändig und teuer. Das muss jemand finanzieren, und daran scheitert es oft. Das habe ich hier in der Region ja hier in den letzten Jahren oft genug erlebt. Das Resultat ist dann, dass gar keine Strecken gesperrt werden. Dazu kommt: Wenn dann mal eine gesperrt wird wie letztes Jahr der Ruhrschnellweg, dann gibt es sofort auf dieser Strecke einen gigantischen Menschenauflauf, und es wird so eng, dass das mit dem Genuss und der Ruhe schon wieder fragwürdig wird. Und die vielen Besucher wollen am Ende des Tages alle wieder zurück, alle auf der gleichen Strecke – das überlastet dann die öffentlichen Verkehrsmittel. Macht man den autofreien Sonntag flächendeckend, verteilen sich die Menschen viel besser über alle möglichen Straßen, und jeder kann das da genießen, wo er gerade ist und sein will.

Frage: Ist das nicht eine romantische Vorstellung, die zurück in die Vergangenheit weist?

Korff: Ja und nein. Ich habe nichts dagegen, wenn man mich als Romantiker bezeichnet. In der Harzreise von Heinrich Heine kann man nachlesen, wie Heine in den 1820 er Jahren von Göttingen durch das Leinetal über Northeim zum Harz gewandert ist. Damals konnte man da noch wandern. Heute verlaufen auf dieser Strecke eine Autobahn, eine Bundesstraße, eine Bahnstrecke und eine Schnellbahnstrecke. Deshalb gibt es keine Wanderwege mehr, die durch solche Täler führen wie das Leinetal, das Neckartal, das Elbetal, das Rheintal. Dort wieder wandern oder Fahrradfahren zu wollen, ist in der Tat eine romantische Vorstellung. Aber gleichzeitig ist es kein Weg zurück in die Vergangenheit, weil wir ja die vorhandenen modernen Straßen dafür nutzen wollen. Das Radeln und Skaten auf breiten, glatten Straßen macht einen großen Teil des Reizes aus bei autofreien Sonntagen. Auf den Morast, der sich damals bei Regen auf Kutschstraßen bilden konnte, verzichten wir gerne.